Das Hörgerät auf dem Weg zum Hearable?

Das Hörgerät auf dem Weg zum Hearable?

Marktanalyse: Hörgeräte-Markt vermischt sich mit Consumer-Elektronik 

Mit der Einführung des neuen Bluetooth Audio-Codecs LC3 (wir berichteten im Juli 2020: Bluetooth LE-Audio: Die neue Alternative zur Telefonspule?) verbessert sich die Leistungsfähigkeit von Audiogeräten maßgeblich. Sowohl Hersteller von medizinischen Hörsystemen als auch von freiverkäuflichen Hearables der Consumer-Elektronik profitieren davon und integrieren weitere alltagserleichternde Funktionen. Im Rahmen einer Marktanalyse der Bluetooth Special Interest Group (SIG), welche vom britischen Institut für Marktforschung und Geschäftsentwicklung Juniper Research durchgeführt wurde, zeigte sich, dass sich Hörsysteme und Hearables dank fortschreitender Bluetooth-Technologie immer ähnlicher werden. Eine Gefahr für den Hörgerätmarkt?

Gefahr oder Chance für die Hörakustik

Hearables auf dem Vormarsch: Apple, Bragi, doppler labs, Jabra, Motorola, Samsung, Bose, JBL, u.v.m. 
© wearables-hearables.com

Dieser Frage stellte sich auch Sascha Haag, Leiter Audiologie bei Signia Deutschland & Training auf dem digitalen EUHA-Kongress 2020. Im Rahmen eines Vortrages zeigte er die rasante Marktentwicklung von Hearables und verglich deren technischen Standard mit dem von Hörsystemen.

Unabhängig der Bauform, also ob EarPods oder EarBuds, integrieren die kabellosen Headphones Ausstattungsmerkmale, welche schon längst einen festen Standard in der Hörgerätetechnologie bilden.

Dazu zählen Merkmale, wie zwei MEMS-Mikrofone fürs Beamforming, kleine ausbalancierte Hörer für brillante Soundwiedergabe, Lithium-Ionen-Technologie, Sensortechnologie und auch die App-Steuerung, mit der sich Hearables im Frequenzverlauf anpassen und in der Lautstärke regulieren lassen. Aber auch Geräuschunterdrückungen und Transparentmodus (bei Markttreiber Apple AirPods Pro in Verbindung mit Hörverlust-Ausgleich) zur okklusionsfreien Wahrnehmung der Hörumgebung machen das Hören via Hearables dem via Hörsystem immer ähnlicher.

Können Hearables schon heute als Medizinprodukt gesehen werden?

GKV-Mindeststandard für Hörsysteme: Hearabels im Vergleich zu Hörsystemen (mit Klick aufs Bild größere Ansicht)
© EUHA-Vortrag Sascha Haag

Auch wenn sich designstarke AirPods und EarBuds durch einen ausgewogenen Klang beim Streaming auszeichnen und bereits viele Parallelen zur Hörtechnologie aufweisen, haben sie den technischen Standard von Hörsystemen und auch deren Verstärkungsleistung noch nicht erreicht. Bis dato erfüllen Hearables den GKV-Mindeststandard von Hörsystemen als Medizinprodukt daher noch nicht. Mit dem treibenden Faktor der Befriedigung von Kundenbedürfnissen durch die Konsumelektronik scheint dies jedoch nur eine Frage der Zeit zu sein.

Laut Marktanalyse von Juniper Research soll der Marktanteil von Hearables als rezeptfreie Hörhilfe weltweit von heute 43 Prozent auf 71 Prozent im Jahr 2024 ansteigen. Der Marktanteil von Hörsystemen liegt deutlich darunter. Technologische Fortschritte, wie die Einführung des neuen Bluetooth LC3-Codecs beschleunigen die Annäherung der Hörsysteme an Hearables und umgekehrt. So bietet LC3 für Hörsysteme eine uneingeschränkte Interoperabilität mit allen Smartphone-Betriebssystemen, wie sie bereits jetzt schon von Nutzern bei anderen Audiogeräten genutzt wird. Zudem ermöglicht die komprimierte Übertragung der steigenden Datenmengen, die zu und von Geräten übertragen werden können, eine energieeffizientere Signalverarbeitung und damit auch ein kleineres Design sowohl für Hörsysteme als auch Hearables.

Auf kurz oder lang scheinen sich damit beide lediglich im Grad der Verstärkung und in ihrer Geschichte zu unterscheiden. Dies lässt hoffen, dass Hörsysteme endlich die finale Entstigmatisierung zuteilwird. Gut gerüstet für die Zukunft ist daher, wer sich schon jetzt im Fachgeschäft mit dem Thema Hearabels auseinandersetzt, um unentschlossenen Hörgeräteträgern mit einer leichten Hörminderung eine Einstiegslösung anbieten und bestmöglich an sich binden zu können.


{AUTOR-BIANCA}


Titelbild: Bragi - The Dash Pro


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