Sensortechnik: Die Zukunft der Hörgeräte
Ganz deutlich ließ es sich auch in diesem Jahr auf dem 64. Europäischen Hörakustiker-Kongress (EUHA) spüren, dass Hörsysteme mehr als nur Geräte zum reinen Ausgleich des Hörverlustes sind. Immer mehr Hörgerätehersteller integrieren technische Raffinessen, die mit künstlicher Intelligenz, digitaler Vernetzung und sogar mit Sensortechnologie Hörsysteme zum wahren Allrounder und/oder ganzheitlichem „Gesundheits-Check-System“ wachsen lassen.
Ein Trend, der sich jetzt schon abzeichnet, ist die Verwendung von Bewegungssensoren in Hörsystemen. Hier gibt es aktuell zwei Ansätze unterschiedlicher Hersteller und auch weitere sind in Zukunft denkbar.
Sensorik als Aktivitätstracker
In diesem Jahr startete der Trend von Sensoren in Hörsystemen mit der Einführung des weltweit ersten Healthable-Hörsystems Livio AI von Starkey. Was für den einen ein Healthable-Hörsystem ein gängiger Lifestyle-Begriff ist, birgt für andere die Gefahr einer Zungenverknotung.
Tatsächlich werden mit diesem Begriff Hörsysteme beschrieben, die neben dem Hören auch positive Effekte für den allgemeinen Gesundheitszustand ausüben und damit mehr Sicherheit im Alltag schenken können.
Als erstes Hörsystem vereint Starkey Livio AI Hören mit Akvititäts-Tracking in einem Hörsystem. Grundlage für diesen Ansatz ist die ganzheitliche Betrachtung des Hörens. Schon seit langem wird ein schlechtes und unversorgtes Hörvermögen als Demenzbegünstigend betrachtet oder auch oftmals mit der persönlichen Isolation aus dem Gesellschaftsleben in Verbindung gebracht.
Igelt man sich sprichwörtlich daheim ein, bewegt man sich weniger und meidet zunehmend das Zusammensein mit anderen, kann auch die kognitive Verarbeitung im Gehirn beeinträchtigt werden. Die Spirale ließe sich an dieser Stelle sicherlich um einige Folgeerscheinungen fortsetzen.
Um dem ganzen Einhalt zu gebieten, entwickelte Starkey die Thrive Hearing Control-App, die zusammen mit den Hörsystemen Livio AI und dem integrierten Sensor die mentale und physische Fitness trackt. Beide Bereiche sind in der Thrive Hearing Control-App mit einem bestenfalls täglich zu erreichenden Punktewert hinterlegt, dem sogenannten Wellness-Score. Es entsteht eine Art persönlicher, täglicher Vergleichwert, an dem sich der Nutzer selbst messen kann.
Ziel ist es, sich selbst zu motivieren, die Punktezahl durch ein regelmäßiges Tragen der Hörsysteme und ausreichend Bewegung zu erreichen, um nachhaltig die eigene kognitive Verarbeitung zu trainieren und sich selbst körperlich fit zu halten.
Ein weiterer Vorteil des Bewegungssensors: Er in der Lage, Stürze zu erkennen und Benachrichtigung an in der App hinterlegte Kontakte zu senden, was in Gefahrensituationen oftmals lebensrettend sein kann.
Sensorik zur Optimierung der Signalverarbeitung
Signia Xperience: Hören, was tatsächlich bewegt!
© Signia
Einen ganz anderen Ansatz verfolgt hingegen Signia mit seiner neuen Technologieplattform Xperience. Hier wird die im Hörsystem eingebaute Bewegungssensorik für eine detailreichere Erfassung der Hörumgebung genutzt, um den Nutzern eine leichtere Wahrnehmung der gesamten und facettenreichen Hörumgebung zu ermöglichen.
Bis dato konnten herkömmliche Hörgerätemikrofone Aktivitäten, das persönliche Verhalten in verschiedenen Hörumgebungen und Kopfbewegungen in der Signalverarbeitung ungenügend erfassen. Wertvolle Informationen für eine präzise Situationsanalyse, auf der die spätere Signalverarbeitung beruht, blieben also ungenutzt.
Besonders deutlich wurde dies beispielsweise beim Spazierengehen mit einem Gesprächspartner auf dessen Gespräch sich die Hörgerätemikrofone konzentrierten. Umgebungsgeräusche und auch leisere Sprecher im Hintergrund wurden in ihrer Lautstärke reduziert oder sogar ausgeblendet, auch dann, wenn die eigene Kopfbewegung sich der womöglich interessanteren Audioquelle zuwendete.
Der neu und erstmalig bei Signia Xperience integrierte Sensor ist nun in der Lage, die gesamte Hörumgebung in der jeweiligen Bewegungssituation dreidimensional zu erfassen und in Echtzeit fließend auf Änderungen zu reagieren. Dreht sich der Nutzer beim Spazierengehen nun nach dem lachenden Kind im Hintergrund um, wird dies durch den Bewegungssensor erfasst und die Signalverarbeitung so optimiert, dass auch das Kinderlachen wieder bewusst wahrgenommen werden kann. Selbst dann, wenn der nebenstehende Gesprächspartner gerade spricht.
Signia Xperience ist mit seinem integrierten Bewegungssensor damit in der Lage, durch das aktive Zuwenden des Nutzers genau das zu erfassen, was der Nutzer in diesem Moment hören möchte.
Die Zukunft der Hörsysteme mit Sensorik
Blickt man in die Zukunft sind auch ganz andere Ansätze mittels der Sensorik möglich. Zahlreiche Patente sind bereits angemeldet, die mittels Sensoren am Hörsystem ein EEG (Elektroenzephalogramm) zur elektrischen Messung von Gehirnströmen ermöglichen. Auch das Messen von Vitalfunktionen, wie Temperatur, Puls, und Herzfrequenz sind durchaus in Verbindung mit einem Hörsystem denkbar und eröffnen durch ein regelmäßiges Tragen von Hörsystemen ein erweitertes Therapiespektrum.
Fakt ist: Ein regelmäßiges Tragen von gut eingestellten Hörgeräten wirkt sich auch heute schon positiv auf die eigene Gesundheit aus. Wer besser hört, hat einfach mehr vom Leben! Probieren Sie es aus.