EuroTrak-Studie 2022: Anteil der Menschen mit selbsteingeschätzter Schwerhörigkeit nimmt ab.

EuroTrak-Studie 2022: Anteil der Menschen mit selbsteingeschätzter Schwerhörigkeit nimmt ab.

Anfang Juni 2022 wurde wieder die repräsentative EuroTrak Hörstudie veröffentlicht. Dazu wurden mehr als 13.000 Menschen in Deutschland zu Schwerhörigkeit, Hörgeräteversorgung und Co. befragt. Die Studie entstand im Auftrag der Europäischen Vereinigung der Hörgerätehersteller (EHIMA) und des Bundesverbandes der Hörsysteme-Industrie (BVHI) und liefert einige interessante Zahlen und Fakten rund um das Thema Schwerhörigkeit und Hörgeräteversorgung.



Selbsteingeschätzte Schwerhörigkeit wird seltener

Betrachtet man die Entwicklung des Anteils der Menschen, die an einer selbsteingeschätzten Hörminderung leiden, lässt sich seit den letzten 10 Jahren ein leichter Trend erkennen: Betrug die Zahl in der EuroTrak-Studie von 2012 noch 12,5 %, so ist diese im Verlauf der letzten 10 Jahre um 1,4 Prozentpunkte auf nun 11,1 % im Jahr 2022 gefallen. Die Zahl ist insoweit interessant, da das Durchschnittsalter der Bevölkerung im Zuge des Demographischen Wandels im Zeitraum von 2012 von 44,1 auf 44,5 Jahre im Jahr 2019 gestiegen ist1. Ergo: Trotz steigenden Alters der Bevölkerung, scheint die Schwerhörigkeit zu sinken.

Zu betonen ist, dass es sich hierbei um die subjektiv Selbsteingeschätzte Hörminderung handelt, nicht um eine Aussage anhand einer objektiven Messung gemäß WHO-Kriterien handelt2. Ein möglicher Grund für die Fehleinschätzung: Im Zuge der Corona-Pandemie gingen Menschen seltener außer Haus oder waren seltener in Gesellschaft. Diese Vermutung wird dadurch gestützt, dass es im Zeitraum von 2018 auf 2022 einen Rückgang der selbst eingeschätzten Hörminderungen um 1,1 Prozentpunkte gab. Solch einen starken Rückgang gab zuvor in keinem Erhebungszeitraum. Davon abgesehen empfinden viele Menschen eine Hörminderung als nach wie vor stigmatisierend, weshalb die Fragen sicher nicht immer hundertprozentig korrekt beantwortet wurden.

Immer mehr Menschen lassen ihren Hörverlust behandeln

Eine weitere Erkenntnis, die die aktuelle EuroTrak-Studie hervorgebracht hat, bezieht sich auf die bereits mit Hörgeräten versorgten Menschen. War im Jahr 2012 etwa jeder Dritte (34,0 %) Hörgeminderte mit Hörgeräten versorgt, ist die Zahl innerhalb der folgenden zehn Jahre auf 41,2 % gestiegen. Diese Steigerung zeigt, dass Informationskampagnen der HörakustikerInnen, der ÄrztInnen und der Industrie erfolgreich sind. Dass sich immer mehr Menschen mit Hörgeräten versorgen lassen, zeigt, dass das Stigma „Hörgeräte = alt“ zunehmend aufgeweicht wird. Auch die Tatsache, dass Hörgeräte technisch immer raffinierter und kleiner werden, häufiger auf kompakte Im-Ohr-Hörgeräte zurückgreifen und über immer mehr nützliche Features verfügen, könnte diese Entstigmatisierung beschleunigt haben.

Mehr als die Hälfte aller Menschen mit Hörminderung ist unversorgt!

Die Kehrseite der Medaille ist aber auch, dass laut Studie knapp 60 % aller schwerhörigen Teilnehmer unversorgt sind. Hier gilt es weiterhin aufzuklären und das Bewusstsein für eine Versorgung mit Hörgeräten zu schaffen. Ein unbehandelter Hörverlust hat weitreichende Folgen, neben Unsicherheiten im Alltag, auch soziale Isolierung und vor allem Demenz.

Es ist zwar erfreulich, dass der Anteil an Menschen, die mit einem Hörgerät versorgt sind von 4,2 % (2012) auf 4,6 % (2022) gestiegen ist, doch in Anbetracht der großen Zahl an Menschen, die ihre Schwerhörigkeit noch nicht behandelt haben lassen, ist bis zu einer zufriedenstellenden Versorgungrate noch ein weiter Weg zu gehen.

Schließlich ist mit 90 % der größte Teil der gering- bis mittelgradig schwerhörigen Menschen immer noch unversorgt. Mit den neuen OTC-Regelungen in den USA im Rücken hat die Hörgeräteindustrie nun eine reelle Chance, genau diese Gruppe für sich zu gewinnen. Wie sich diese Entwicklung auf Deutschland auswirkt, wird sich in den nächsten Jahren zeigen. Aktuell gilt noch: Je ausgeprägter der Grad der Schwerhörigkeit, desto höher ist die Versorgungsrate.

Sollten Sie das Gefühl haben, schlechter zu hören, nutzen Sie gerne unsere Hörakustikersuche oder suchen Sie einen HNO-Arzt auf und lassen Sie Ihr Gehör mithilfe eines unverbindlichen, kostenfreien Hörtests untersuchen. Fällt Ihnen in Ihrem Familien- oder Bekanntenkreis auf, dass jemand schlecht hört, sprechen Sie die betroffene Person an und sensibilisieren Sie sie für das Thema - manchmal hilft auch ein Hinweis auf die Risiken einer unbehandelten Schwerhörigkeit


Zum Weiterlesen:

Zukunftsweisende Forschung: Medikament gegen Schwerhörigkeit

NDR und SWR mit Beiträgen rund ums Thema Hörgeräte

Barbie bekommt Hörgeräte



1 https://www.bib.bund.de/DE/Fakten/Fakt/B19-Durchschnittsalter-Bevoelkerung-ab-1871.html

2 Eine klinisch durchgeführte Studie mit objektiven Messungen zur Hörgeräteversorgung in Deutschland gibt es zum Beispiel hier.