Wie Hörgeräte der Zukunft mittels Gehirnströmen wissen sollen, wem man zuhören möchte
Situationen mit vielen Hintergrundgeräuschen und Gesprächsquellen stellen Hörgeräte häufig vor große Probleme. Deutsche Forscher arbeiten aktuell an neuen Systemen, die mithilfe von Gehirnströmen erkennen sollen, wem man in einer bestimmten Situation zuhören möchte und dann diese Quellen verstärken sollen. Dies könnte der nächste große Meilenstein in der Hörgeräte-Entwicklung sein.
Das Problem des Cocktailparty-Effektes
Menschen mit gesundem Gehör profitieren von einem Phänomen, durch das sie sich auch unter Stimmengewirr gezielt auf einen bestimmten Sprecher fokussieren können: Der Cocktailparty-Effekt. Bei Hörgeräten übernehmen diese Aufgabe die Richtmikrofone, jedoch richten sich diese nicht immer auf die gewünschte Sprachquelle aus. Denn dazu fehlt eine Rückmeldung seitens des Gehirns. Diese könnte bei zukünftigen Hörgeräten ein EEG ermöglichen, das die Gehirnströme misst.
Gehirnströme als Ausgangpunkt der Forschung
Der Forschungsverbund mEEGaHStim arbeitet an diesem Thema und hat bereits letztes Jahr einen Einblick in seine Arbeit gegeben. Dort zeigten die Forscher, wie sie anhand der Signale eines EEGs (Elektroenzephalogramm) den Sprecher ermittelten, dem der Zuhörer folgte. Dadurch kamen sie zum Schluss, dass zwischen dem Sprachsignal eines Sprechers und der Hirnaktivität des Zuhörers eine Korrelation besteht. Das dient als Grundlage für die weitere Arbeit, welche Hörsysteme und das allgemeine Sprachverstehen in schwierigen Umgebungen grundlegen verbessern soll.
In bestätigten Versuchsreihen konnte das Hörverständnis mittels Elektrostimulation der Kopfhaut bereits verbessert werden. Neben dem „normalen“ Hörgerät wird hier jedoch zusätzlich eine Reihe EEG-Sensoren sowie weitere Elektroden zur Stimulation bestimmter Hirnregionen benötigt. Im Laufe der Zeit soll diese Technik so komprimiert werden, dass sie in ein alltagstaugliches Hörgerät passt.
Schwerhörige profitieren von den Elektroreizen
Künftig sollen sich Hörgeräte also nicht anhand vorbestimmter Prioritäten ausrichten. Die Richtwirkung soll mittels Elektrostimulation um ein Vielfaches verfeinert werden können. Hierbei hilft zum einen das Gehirn dem Hörgerät, zu erkennen, auf wen man sich in einem Gespräch konzentriert. Umgekehrt soll das Hörgerät durch Gehirnstimulation das Hörverständnis steigern.
Laut Angaben der Forscher profitieren vor allem Schwerhörige von der Stimulation der Gehirnoberfläche; bei Menschen mit gesundem Gehör konnte kaum eine Verbesserung erzielt werden. Das könnte damit zusammenhängen, dass sich Menschen mit einer Hörminderung stärker auf eine Schallquelle konzentrieren müssen, vor allem in anspruchsvollen Situationen. Zweifelsfrei bestätigt ist diese These aber nicht.
Die Forscher hatten eine Embedded-Lösung auf einem Hörgerätechip mit dem Namen SmartHeap für März 2021 angepeilt, doch diesbezüglich konnte unsere Redaktion noch nichts Konkreteres herausfinden. Der jeweils neuste Stand zur Entwicklung kann hier nachgesehen werden.
Teaser-Bild: © David Straßburger/ Uni Siegen/ Ubiquitous Design