Cochlea-Implantate kommen dann zum Einsatz, wenn ein herkömmliches Hörgerät nicht mehr ausreicht. Das Implantat stimuliert den Hörnerv via Strom – doch das hat einen Nachteil: Besonders genau können die einzelnen Frequenzbereiche in der Hörschnecke damit nicht angesteuert werden. Betroffenen gelingt es zwar, in ruhigen Situationen nach viel Übung Sprache zu verstehen. In Menschengruppen wird es schon schwieriger – von Musikgenuss ist ganz zu schweigen. Nun aber möchte die Universitätsmedizin Göttingen die Art und Weise, auf die ein Cochlea-Implantat seit Jahrzehnten arbeitet, grundlegend verändern: mit Licht.
Kleiner Exkurs: So funktioniert unser Gehör…
Über die Ohrmuschel gelangt Schall in Form von Luftströmen in unser Ohr: Erst zum Trommelfell, dann über Hammer, Amboss und Steigbügel zum Innenohr. Dort befindet sich die Cochlea. In ihr sitzen Haarzellen, die eine enorm wichtige Rolle spielen. Denn der Schall versetzt sie in wellenförmige Bewegungen. Diese stimulieren Nervenzellen, die den mechanischen Reiz in Form von elektrischen Impulsen an das Gehirn weiterleiten. Jeder Bereich der Haarzellen steht dabei für eine eigene Frequenz und somit für eine eigene Tonhöhe.
Die Haarzellen spielen also eine tragende Rolle. Ihre Empfindlichkeit hat aber auch einen großen Nachteil: Die Zellen können leicht beschädigt werden, etwa durch langanhaltenden Lärm oder aber durch altersbedingten Verschleiß. Sind noch einige intakt, kann ein Hörgerät durch die gezielte Verstärkung der betroffenen Tonfrequenz die entsprechenden Haarzellen gezielt ansprechen und das Hörvermögen wiederherstellen.
Ist die betroffene Person allerdings hochgradig schwerhörig oder sogar taub, sind die Haarzellen in der Regel so stark beschädigt, dass ein handelsübliches Hörgerät kaum Besserung verspräche. Hier kommt das Cochlea Implantat zum Einsatz. Es ersetzt gewissermaßen das Innenohr – genauer: die Funktion der Haarzellen – und versorgt an ihrer statt den Hörnerv mit Reizen.
… und so ein Cochlea-Implantat
Sichtbar ist bei einem Cochlea-Implantat das Hinter-dem-Ohr-Gerät und eine scheibenförmige Sendespule, die über dem Ohr sitzt. Dort befinden sich Mikrofone, die den Klang aufnehmen, der anschließend vom Prozessor hinter dem Ohr verarbeitet und über die Sendespule an das eigentliche Implantat geschickt wird. Der innere Teil wird in den Schädelknochen eingesetzt und enthält eine Empfangsspule, einen Stimulator und Stimulationselektroden. Letztere werden direkt in die Hörmuschel eingeführt und nutzen das verarbeitete Klangsignal, um den Hörnerv anzuregen. So entsteht ein Höreindruck.
Betroffenen Personen ermöglicht das Cochlea-Implantat eine weitgehende Teilnahme am alltäglichen Leben, wenn auch das Hörverstehen zum Beispiel bei lautem Geräuschpegel an seine Grenzen gerät. Doch wie jüngste Forschungsentwicklungen zeigen, dürfte sich das bald schon wesentlich ändern.
Licht statt Strom: wesentliche Verbesserung des Höreindrucks
Prof. Tobias Moser vom Institut für Auditorische Neurowissenschaften und InnenOhrLabor, Universitätsmedizin Göttingen, ist an einem Projekt beteiligt, welches den Hörnerv mit Licht statt Strom stimulieren möchte. Das größte Problem bisher sei nämlich: „Menschen mit intaktem Gehör können etwa 2000 unterschiedliche Tonhöhen auflösen. Jetzige Cochlea-Implantate verfügen aber nur über 12 bis 24 Stimulationskanäle, deren elektrische Reize sich in der Salzlösung der Hörschnecke sehr weit ausbreiten. So können die Nervenfasern in der Hörschnecke nicht getrennt angestoßen werden, sondern immer ganz viele auf einmal. Die Trägerinnen und Träger der Implantate können entsprechend Tonhöhen schlecht auseinanderhalten, sodass sie Sprache schlechter verstehen und oft auch weniger Freude an Musik haben“.
Ein neues, sogenanntes optisches Implantat, das statt Strom Licht verwende, wolle dieses Problem lösen. „Da man Licht besser bündeln, also räumlich begrenzen kann, kann man einzelne Regionen der Hörschnecke mit Licht besser ansprechen als mit Strom“, erklärt Prof. Moser.
Da die Nervenzellen im Ohr nicht lichtempfindlich seien, müsse man sie zunächst mit einer Gentherapie entsprechend verändern. Eine solche Gentherapie mit nicht-pathogenen Viren sei sicher und habe keine Nebenwirkungen, bekräftigt Prof. Tobias Moser.
Förderung in Millionenhöhe
Der Einsatz von Licht könnte die Wirksamkeit eines Cochlea-Implantats um ein Vielfaches steigern und dazu führen, dass Betroffene sogar Sprachmelodien und Musik verstehen. Mitte August gaben das Land Niedersachsen und die VolkswagenStiftung daher bekannt, dass sie dem Projekt Mittel über eine Million Euro bereitstellen würden. Die Förderung soll einen Teil der Forschung unterstützen, die bis zur ersten klinischen Studie 2026 noch anstehe.
Zum Weiterlesen:
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Quellen:
https://www.stadtradio-goettingen.de/redaktion/nachrichten/uni_goettingen_moechte_tauben_das_hoeren_ermoeglichen___millionenfoerderung_von_volkswagesntiftung_und_aus_landesmitteln/
https://www.medica.de/de/News/Thema_des_Monats/%C3%84ltere_Themen_des_Monats/Themen_des_Monats_2021/Implantate_f%C3%BCr_die_Sinne/Cochlea-Implantate_Licht_ins_Ohr