In Zahlen: Viel zu wenige Schwerhörige lassen sich versorgen

In Zahlen: Viel zu wenige Schwerhörige lassen sich versorgen

Trotz ärztlicher Empfehlung: ein Drittel der Schwerhörigen ist noch nicht mit Hörgeräten versorgt

Lange nicht jeder, der laut eigenem Empfinden schwerhörig ist, lässt sich letztendlich mit Hörgeräten versorgen. Das ergab eine Umfrage im Rahmen der EuroTrak-Studie 2022. Dazu wurden mehr als 1.300 Menschen mit einer selbsteingeschätzten oder bereits diagnostizierten Hörminderung befragt. Heraus kam: Nur 41 % aller mit Hörminderung und nur zwei Drittel derer, die eine Verschreibung seitens eines Arztes bekommen haben, sind auch final mit einem Hörgerät versorgt.

Ärzte und Hörakustiker sind die wichtigsten Informationsquellen für Hörgeräteträger

In der Gesamtheit aller Interessenten mit einer Hörminderung informiert sich weniger als die Hälfte von Ärzten, aber knapp ein Drittel über das Internet. Bei den mit Hörgeräten versorgten sieht das anders aus: Hausärzte, HNO-Ärzte und Hörakustiker spielen die wichtigste Rolle, wenn es um Informationen zu Hörgeräten geht: 71 % aller Befragten hatten Ihre Informationen von einer dieser Quellen. Genau ein Drittel gab an, dass es seine Informationen dazu aus dem Internet erhält. Mit weniger als 15 % hatten Printmedien wie Zeitungen oder Werbung einen sehr geringen Anteil.

Laut EuroTrak 2022-Befragungen besitzen nur 41 Prozent der Menschen ein Hörgerät, die sich selbst als schwerhörig einschätzen.

Der Weg zum Hörgerät – „wann fallen Patienten weg?“

Die Studienteilnehmer wurden zu „ihrem Weg zum Hörgerät“ befragt. Dabei konnte herausgefunden werden, wann unversorgte aus dem Prozess der Hörgeräteversorgung für gewöhnlich aussteigen.

Jeder Fünfte geht gar nicht erst zum Facharzt

Von allen, die meinen ihr Hörvermögen sei eingeschränkt, gehen nur 81 % auch wirklich zu einem Haus- oder HNO-Arzt, um ihr Problem anzusprechen. In Zahlen beträgt die „Ausstiegsquote“ rund 1,75 Millionen Menschen. Die Dunkelziffer der Menschen mit Hörminderung, die nicht zu Arzt gehen, ist laut einer Einschätzung des BVHI (Bundesverband der Hörsysteme-Industrie) höher. Wahrscheinliche Gründe sind sinkende Eigenmotivation, weite Distanz zu einem Facharzt oder auch die Scham (Stigma Hörgeräte), sich eine gesundheitliche Beeinträchtigung einzustehen oder Sorgen bezüglich des Anschaffungspreises.

Für knapp ein Drittel ist beim Arzt Endstation  

29 % erhalten nach dem Besuch beim HNO- bzw. Allgemeinarzt keine Verschreibung für ein Hörgerät. Heißt: Nicht jeder mit einer wahrgenommenen Hörminderung ist therapiebedürftig, aber auch nicht jeder therapiebedürftige ist mit Hörgeräten zu behandeln. Wenn für einen Patienten eine alternative Behandlungsmethode, wie Medikamente, eine Operation oder ein CI-Implantat infrage kommt, fällt er aus der Statistik. Dennoch sollte hier erwähnt werden, dass es in seltenen Fällen auch Ärzte gibt, die trotz Notwenigkeit keine Verschreibung für ein Hörgerät ausstellen, sondern pragmatisch auf „sie hören altersgerecht“ und auf einen späteren Kontrolltermin verweisen.

29 % mit einer Verordnung erwerben kein Hörgerät

Die meisten, die eine Verschreibung erhalten, gehen damit auch zum Hörakustiker - nur 3 % suchen keinen Fachbetrieb auf. Während des Anpassungsprozesses beim Hörakustiker, fallen insgesamt noch einmal 29% weg. Das bedeutet, dass knapp ein Drittel derjenigen, die eine ärztliche Empfehlung für ein Hörgerät hat, sich nicht mit Hörgeräten versorgen lässt. Gründe für den Wegfall können die Sorge vor den Kosten einer Hörgeräteanschaffung sein, der Zeitraum, wie lange eine Anpassung dauert oder auch die hohe Erwartungshaltung an Hörgeräte. Wichtig ist immer auch die Spontanakzeptanz nach der ersten Anpassung eines Hörgerätes, hier muss den Patienten bewusst sein, dass eine Hörgeräteversorgung viel Geduld benötigt und über mehrere Sitzungen geschieht.

Interessant Hinweise hierfür liefert die HIM-Studie zu den Einflussfaktoren und der Zufriedenheit mit Hörgeräten im Laufe des Anpassungs- und Ausprobeprozesses. Wichtige Ergebnisse dazu waren, dass die höchste Zufriedenheit nach vier Anpassungssitzungen, dem Testen von drei Geräten und einer Testdauer von mindestens drei Wochen erzielt wurde. 

Am Ende haben also 41 % aller Befragten, die davon ausgehen eine Hörminderung zu haben, auch ein Hörgerät gekauft. Das macht auf Deutschland gerechnet rund 3,8 Millionen Hörgerätebesitzer. Übrigens: Je stärker der Hörverlust ausgeprägt ist, desto geringer ist die Dropout-Rate bei der Hörgeräteversorgung. Die Zahlen zu den Hörgeräteträgern in Deutschland decken sich mit den Ergebnissen einer repräsentativen Studie um das Team von Gablenz, Hoffmann und Holube aus dem Jahr 2019. (Gablenz P, Hoffmann E, Holube I. Prävalenz von Schwerhörigkeit in Nord- und Süddeutschland. HNO 65, 663–670 (2017). DOI: 10.1007/s00106-016-0314-8)

Erst wenn der Hörverlust stärker wird, gehen viele zum HNO-Arzt

Was also waren für die Studienteilnehmer die Beweggründe, sich ein Hörgerät zuzulegen? 59 % der Hörgeräteträger, gab an, dass die Aufklärung der HNO- und anderer Fachärzte, den größten Einfluss auf die Entscheidung für Hörgeräte hatte. 49 % gaben ein schlechter werdendes Gehör als Grund an.

Weiter fand die Studie heraus, dass erst eine sich weiter verschlechternde Hörproblematik 60 % der Menschen mit einer unversorgten Schwerhörigkeit davon überzeugen würde, sich mit Hörgeräten versorgen zu lassen.

Warum letztendlich nur knapp 50 % derjenigen, die eine selbsteingeschätzte Hörminderung haben, bei einem Facharzt informieren, bleibt zu vermuten. Viele Menschen sind sich der weitreichenden Folgen einer unbehandelten Schwerhörigkeit nicht bewusst, wie bereits vor Kurzem von uns beschrieben. Am Ende jedoch wird es verschiedene Gründe geben, weshalb sich einzelne gegen Hörgeräte entscheiden. Seit der letzten Erhebung hat sich jedoch kaum etwas bei der „Ausstiegsquote“ verändert.


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