Mund-Nasen-Schutz mit Nachteilen für Schwerhörige

Mund-Nasen-Schutz mit Nachteilen für Schwerhörige

Masken und deren akustische Nachteile

Seit Ende Februar beschäftigt die Welt ein Virus mit weitreichenden Folgen für uns Menschen. Zur Eindämmung dieses Virus haben unter anderem die Landesregierungen besondere Maßnahmen veranlasst. Seit dem 27.04.2020 ist sogar das Tragen eines Mundschutzes etwa beim Einkaufen und in öffentlichen Verkehrsmitteln in fast allen Bundesländern Pflicht. Auch bei Ärzten und Krankenhäusern.

Leider kommt es durch das Tragen der Masken im Alltag auch zu Einschränkungen. Zum einen beschlagen bei Brillenträgern durch das Ausatmen die Brillengläser, zum anderen schränkt es die Kommunikation ein. Nicht nur das fehlende Mundbild stellt eine Herausforderung für Normalhörende, Hörbeeinträchtigte und Gehörlose dar, sondern es entsteht auch eine erhebliche Dämmwirkung sprachrelevanter Frequenzen.

Verständigungsprobleme durch Masken

Die Abszisse zeigt die Frequenz in linearer Aufteilung. Die Ordinate zeigt die Dämmwirkung in dB (Differenz ohne Maske zum jeweiligen Maskentyp). Da die Dämmwirkung unterhalb von 1 kHz sehr gering ist, sind hierbei nur Werte zwischen 1 kHz und 10 kHz zur Visualisierung gewählt worden.

Wie wirkt sich das bei Normalhörenden, wie bei Schwerhörigen oder gar Gehörlosen aus?

Um einen ersten Überblick der Dämmwirkung zu erhalten, hat das Hörhaus Tuttlingen unter der Leitung des Höringenieurs Torsten Saile und Janina Gregori (Auszubildende im zweiten Lehrjahr) Messungen mit OP-Masken, einer FFP3-Maske, einem Visier und zusätzlich der Kombination daraus durchgeführt. Die Messungen wurden mit In-situ-Sonden in einem Meter Abstand in Kopfhöhe des Kunden gemacht. Als Messsignal diente ein sprachähnliches Signal, ISTS (International Speech Test Signal), bei 65 dB. Als Messtechnik wurde die Acam5 von Acousticon eingesetzt. Wie bei fast allen Messtechniken in diesem Bereich ist der Übertragungsbereich meist auf 8 kHz bis 10 kHz begrenzt.

Der Lautsprecher aus 0 Grad wurde mit einer OP-Maske, einer FFP3-Maske und zusätzlich die jeweiligen Maskentypen mit Visier versehen und ohne Visier verwendet. Die restliche Lautsprecheroberfläche, die nicht mit der Maske bedeckt war, wurde „akustisch dicht“ abgeklebt. Als Referenzmessung wurde eine Messung ohne Maske oder Visier durchgeführt.

Die OP-Maske lässt noch am meisten Schall entweichen. Ab 2 kHz dämmt sie um ca. 5 dB. Nur das Visier hat im Mittel auch 5 dB Dämmung. Die FFP3-Maske und die OP-Maske in Kombination mit dem Visier haben eine relativ ähnliche Dämmwirkung, im Mittel um ca. 6-8 dB. Die FFP3-Maske in Tragekombination mit dem Visier dämmt jedoch im Mittel um ca. 10 dB.

Diese Messungen geben einen ersten Überblick, welche Probleme schon bei normalhörenden Menschen in einer Unterhaltung mit dem jeweiligen Mundschutz auftreten können. Wenn dies schon in einem Meter Abstand so ist, kann man sich vorstellen, wie es bei einem Abstandsgebot von zwei Metern ausschaut.

Mund-Nasen-Schutz mit Sichtfenster

Maske mit Lippenleserausschnitt. Gerade für Schwerhörige oder Gehörlose Menschen eine tolle Möglichkeit der Kommunikation. Hierbei kommt es auf die richtige Folie und deren Pflegetipps an.

Noch viel drastischer ist es für Schwerhörige oder Gehörlose, da sich deren individueller Hörverlust um diese gemessenen Differenzen erhöhen wird. Um dem entgegenzuwirken, wäre beispielsweise Mundschutz mit Sichtfenster im Bereich des Mundes oder im Kundenkontakt eine Spuckschutzwand eine hilfreiche Alternative.

Eventuell könnten Hörakustiker ein spezielles „Maskenprogramm nach Saile“ für deren Kunden einrichten, um diesen Problemen entgegenzuwirken. Aus den aufgezeigten Werten kann der Hörakustiker dieses Programm ab 1000 Hz einrichten und kreieren. Erste Tests waren durchweg positiv. Effekte des Richtungshörens oder ein erweiterter Messbereich, um auch Tonbereiche oberhalb von 10 kHz zu erfassen, wären in diesem Zusammenhang sehr interessant.

Die richtige Otoplastik zu Corona-Zeiten

Der Verlust von Hörsystemen ist aktuell ein sehr großes Thema, da sich das Hörsystem beim Auf- und Absetzen der Maske eventuell verheddern kann. Hier empfehlen wir, dass man mit dem Auf- und Absetzen sehr vorsichtig ist. Vor allem muss jedes Mal, wenn die Maske abgesetzt wurde, überprüft werden, ob das Hörsystem noch an der korrekten Stelle sitzt. Selbstverständlich helfen auch hier maßangepasste Otoplastiken weiter, denn hierbei ist das Ohrpassstück mit all seinen Halteflächen gut im äußeren Ohr verankert (und die akustische Übertragung ist auch optimal). Schirmchen, Pilzchen oder Domes sind hierbei nicht dienlich und rutschen sehr leicht aus dem Ohr heraus. Auch die akustische Übertragung ist wesentlich besser.

(Autor: Torsten Saile, EUHA-Mitglied und im Expertenkreis Hörakustik tätig)


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