Sivantos und Widex vor Fusion

Sivantos und Widex vor Fusion

Sivantos und Widex kündigen Fusion an

Genauer gesagt deren Eigentümer, also EQT sowie die dänischen Familien Tøpholm und Westermann. Zugegeben: diese News bricht deutlich mit dem, was bisher in Branche spekuliert wurde. Vom Börsengang bis hin zum Verkauf wurden alle erdenklichen Szenarien für Sivantos heiß diskutiert. Und dann kam alles anders. Aus Konkurrenten wird nun ein neuer Player und die Karten werden neu gemischt. Warum? 

"Wir haben nun eine gemeinsame Reise."

Im Interview: Christian Honsig über die Fusion.

Konsolidierung und Marktführerschaft

Mit der Fusion entsteht ein neuer Riese. Gemeinsam bringen es Sivantos und Widex auf circa 1,6 Mrd. Euro Jahresumsatz. Sonova verzeichnete im letzten Geschäftsjahr circa 2 Mrd., William Demant 1,77 Mrd. Euro, Starkey circa 850 Mill. Euro und GN Hearing circa 750 Mill. Euro - jeweils inklusive Implantate und Diagnose, ohne GN Otometrics. Soweit zu den Zahlen.

Mit der Fusion entsteht natürlich ein Hersteller, der weltweit zum Teil unterschiedliche Markenstrategien vereint. Durch diese Mehrmarkenstrategie (Signia, Siemens, Audio Service, Rexton, A&M sowie Widex und Coselgi) entstehen natürlich relevante Schnittmengen, auch in Deutschland. Alle Marken jedoch bedienen die unterschiedlichen Markensegmente in ihrer bekannten Tiefe, wenn man sich beispielsweise nur mal Signia, AudioService und Widex anschaut. Geplant ist, dass der Vertrieb von Sivantos und Widex weiterhin die bestehenden Einzelhandelskanäle nutzen wird. Auch innovative Online-Maßnahmen sollen genutzt und weiterentwickelt werden.

Den Hörgeräte-Markt neu erfinden

Nach der Fusion würden weltweit nun 800 Entwickler an den künftigen Hörgeräte-Generationen arbeiten. Mehr als 100 Millionen Euro Budget stehen laut der Mitteilung von EQT für die Forschung und Entwicklung zur Verfügung. Zum Vergleich: Sonova investierte im letzten Jahr knapp 120 Mill. Euro und William Demant 123 Mill. Euro. In Singapur, Lynge (Dänemark) und im erst letzten Jahr neu eingeweihten Forschungs- und Entwicklungszentrum in Erlangen soll nun künftig gemeinsam entwickelt werden.

Dreh- und Angelpunkt dieser Fusion dürfte vor allem das Thema Forschung und Entwicklung gewesen sein. Solche Kapazitäten aufzubauen und vorzuhalten stellt zweifelsohne eine der größten, künftigen Herausforderungen dar. Und das zieht sich durch nahezu alle Industrien. Der Hörgerätemarkt wurde seit jeher und wird nunmal von Technologien getrieben. Dass es für Widex in diesem Umfeld herausfordernder geworden wäre, künftig mitzuhalten, steht außer Frage. Die Zukunft des Hörens soll auf ein neues Level gebracht werden, heißt es in der Mitteilung weiter.

Innovation, Innovation und nochmals Innovation

Die Technologien entwickeln sich enorm. Das belegen die Produkteinführungen und Features der jüngeren Vergangenheit. Mal zwei Gedanken dazu: Erst kürzlich stellte Widex das wohl weltweit erste KI-Hörgerät Widex Evoke vor. Vielleicht greift der Begriff Künstliche Intelligenz etwas zu weit, aber intelligent und selbstlernend kann man das neue System schon beschreiben. "Maschinelles Lernen in Echtzeit" heißt es. Einstellungen, Situationen und Indikationen werden verglichen, und die Nutzer profitieren von den individuellen Einstellungen anderer.

Signia hat mit Telecare einen der wohl wichtigsten Meilensteine gesetzt, der neue Möglichkeiten in der Nachsorge und damit im Serviceangebot eröffnet. Der Hörgeräteträger (der Zukunft) und der Hörakustiker; sie beide nehmen mit diesen Innovationen eine vollkommen neue Rolle ein. Vorab soviel: unsere aktuelle Umfrage zum Thema "Teleaudiologie" zeigt deutliche Einigkeit darüber, dass die Bedeutung teleaudiologischer Lösungen zunehmen wird. Demnächst mehr dazu.

"Der Zusammenschluss bedeutet für EQT die einzigartige Möglichkeit, den Anlagehorizont für Sivantos zu verlängern und somit den nächsten Schritt in der Transformation der Hörgeräteindustrie zu begleiten."

Marcus Brennecke, Partner bei EQT Partners

Man hat gemeinsam also Großes vor und wolle zusammen die beste Hörgerätetechnologie für zukünftige Generationen entwickeln, erklärt Marcus Brennecke, Partner bei EQT Partners, den Synergieansatz. Ausgehend von der Tatsache, dass lediglich 10% der weltweit 700 Millionen Schwerhörigen mit Hörgeräten versorgt sind, will man dieses und neues Potenzial gemeinsam erschließen.

Die beiden Eigentümer von Widex: Jan Tøpholm und Anders Westermann.

© Widex

Mögliche Auswirkungen

Der Aktienmarkt zeigte nach Bekanntwerden des Vorhabens bei GN einen Einbruch, der sich aber wieder erholte. Wurde doch bis zuletzt gemutmaßt, dass GN Ambitionen gehabt hätte, bei Sivantos einzusteigen. Dänische Analysten sind sich einig, dass die Anforderungen an das kaufmännische Geschäft sowie an die Forschungs- und Entwicklungsabteilung von GN nun durch einen neuen und sehr starken Wettbewerber größer werden. Der gleiche Kursverlauf zeichnete sich auch bei William Demant ab. Auch Sonovas Aktien gaben überdurchschnittlich nach. Schweizer Analysten sehen durch den Wettbewerbsdruck die durchschnittlichen Verkaufspreise von Hörgeräten unter Druck.

Zum Schluss

Der Deal unterliegt natürlich den behördlichen Genehmigungen. Es ist allerdings davon auszugehen, dass der Unternehmenszusammenschluss im Vorfeld hinlänglich vorbereitet wurde. Dennoch bleibt die Genehmigung abzuwarten. Nach der Fusion wird der neue Hersteller im Besitz von EQT, der Co-Investoren Familie Sprüngmann sowie den dänischen Familien Tøpholm und Westermann bleiben. Beide Unternehmen werden im jeweilien Verhältnis im Verwaltungsrat und im Management repräsentiert.


Zum Weiterlesen

Pressemitteilung von EQT


Christian Honsig über die geplante Fusion

Herr Honsig, da haben Sie heute aber für ganz schön Aufruhr in der Branche gesorgt. Wie kam es zu diesem Zusammenschluss?

Zunächst einmal handelt es sich um eine Fusion von zwei sehr erfolgreichen und innovativen Unternehmen zu einem Technologie-Primus unter dem Dach von EQT und weiteren Eigentümern, vorbehaltlich der Zustimmung der Wettbewerbsbehörden. Die Grundausrichtung von Sivantos und Widex ist ähnlich. Ähnlich in einem positiven Sinn: Wir orientieren uns zum Fachhandel, arbeiten an exzellenten Hörlösungen und treiben Digitalisierung in unserem Markt voran. Die Stärken zu bündeln, sehe ich als große Chance. Inhaltlich bringt jedes Unternehmen seine eigene DNA ein. Über diese Differenzierungsmerkmale haben wir noch mehr Potenzial.

Wo sehen Sie gemeinsame Stärken?

Die Branche steht vor einigen Herausforderungen, vor allem in der Digitalisierung. Man muss sich daher völlig neuen Anforderungen und einem Kundenverhalten stellen, das sich verändern wird. Digitalisierung zu treiben ist ein enormes Investment, das beide Unternehmen bereits aktuell stark priorisieren. Diese Aufgaben können wir nun gemeinsam angehen.

Wie war das bisherige Feedback aus dem Markt?

Extrem positiv. Unseren Kunden war klar, dass diese geplante Fusion Sinn ergibt und sich hier zwei Unternehmen mit klarer Ausrichtung auf Augenhöhe begegnen. Und dieser Aspekt ist uns allen sehr wichtig. Keiner soll im anderen aufgehen, und keiner wird und soll seine Identität verlieren.

Wo sehen Sie denn kommende Herausforderungen?

Vor allem darin, aus den vielfältigen Möglichkeiten, die diese Fusion mit sich bringt, etwas Gutes zu machen. Wir sind in 125 Ländern aktiv und haben 10.000 Mitarbeiter. Das wird eine spannende Zeit. Gemeinsam haben wir die Chance, Trends zu setzen. Dazu brauchen wir vor allem einen starken Markenkern und klar definierte Markenwerte. Zusammen müssen wir hier mehr Profil und Klarheit in den Markt bringen.

Das Thema Widex ist bei EQT ja nicht so ganz neu, richtig?

Es ist vollkommen nachvollziehbar, dass man sich als Investor nach einer Transaktion, also dem damaligen Siemens Verkauf, weitere Optionen in einem Markt anschaut. Wer den Private Equity Markt kennt, weiß auch, dass Investments immer eine zeitliche Befristung haben. Insofern freue ich mich außerordentlich, dass EQT dieses feste Commitment für diesen Markt und für uns verlängert. Sie haben offensichtlich Spaß an uns. Und das ist die schönste Anerkennung für unsere Arbeit. EQT hat sich in den vergangenen Jahren als wachstumsorientierter und fairer Investor gezeigt, vor allem auch mit Blick nach vorn.

Wie lief die Kommunikation?

Wir haben heute Morgen als erstes unsere Mitarbeiter über das Vorhaben informiert. Auch hier trafen wir weniger auf Verwirrung, sondern eher auf ein hohes Maß an Verständnis und vor allem auf die Lust, die Zukunft gemeinsam anzupacken.

Wir danken für das Gespräch!


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Sivantos