Heutige Hörgeräte sind innovative High-Tech-Produkte. Stetig werden alte Technologien verbessert und neue entwickelt, damit das Hören mit Technik dem natürlichen Höreindruck immer näherkommt. In Situationen mit geringer und moderater Lautstärke funktioniert das auch heute schon wunderbar. In lauten, anspruchsvollen Geräuschkulissen kann das Hörgerät aber schon einmal an seine Grenze kommen. Aktuelle Forschungen schüren allerdings Hoffnung, dass das nicht für immer so bleiben muss.
Das Gehirn simulieren
Die Bemühungen, an Technologien zu forschen, die das Hören in geräuschvollen Umgebungen vereinfachen nehmen nicht ab. Wir berichteten im letzten Jahr vom Forschungsverbund mEEGaHStim, deren Erfindung Sprache via Elektroenzephalogramm fokussiert – so wie es das Gehirn auch mit gesundem Gehör zustande bringt. Der sogenannte Cocktailparty-Effekt stellt sicher, dass man sich auch in lauten Geräuschumgebungen auf bestimmte Schallquellen konzentrieren und gleichzeitig andere ausblenden kann. Menschen mit Hörgeräten tun sich hier schwer. Via EEG konnten die für das Fokussieren verantwortlichen Gehirnströme gemessen und auf die Hörsysteme übertragen werden. Noch ist diese Technologie nicht marktreif, irgendwann könnte sie das Hören mit Hörgeräten aber immens erleichtern.
Verstehen durch Vibration
An der Friedrich-Alexander-Universität in Nürnberg arbeiten Forscher derzeit an einer anderen Methode, mit welcher das Hören in lauter Umgebung verbessert werden könnte. Die Lösung ist ein zusätzlicher Reiz durch Vibration. In einem Experiment hielten die TeilnehmerInnen einen kleinen Vibrationsmotor zwischen Zeigefinger und Daumen, während sie Sprachsignale zugespielt bekamen. Zu jeder Silbe vibrierte der Motor leicht. Dieser Impuls sendete Signale an den auditorischen Kortex im Gehirn, der auch dafür zuständig ist, Schall- und Sprachsignale zu verarbeiten. Die Nachbildung des Silben-Rhythmus‘ via Vibration hilft, die Sprachsignale zu dekodieren.
Multisensorische Hörhilfen der Zukunft
Die im Experiment verwendeten Vibrationsmotoren wurden im Vorhinein auf die ausgewählten Sprachsignale programmiert. Damit eine solche „multisensorische Hörhilfe“ auch im Alltag funktioniert, müsste sie identifizieren können, welche Sprachquelle für den Nutzer gerade relevant ist – genau die richtige Aufgabe für das EEG-Hörsystem! Ein High-Tech-Hörsystem, das genau weiß, welche Klangquelle der Nutzer fokussieren will und das Sprachverstehen mit Vibrationen unterstützt - das Faszinierende ist ja: Rein technisch ist das heute schon möglich. Bis ein solches Hörgerät spruchreif wird, werden aber wohl noch ein paar Jahre ins Land gehen.
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