Hyperakusis

Wenn Geräusche zur Qual werden.

„TUT, TUT“, pfeift die Lok am Bahnhof und Sie halten sich vor Schmerz sofort die Ohren zu, da dieses laute Geräusch für Sie die reinste Qual ist. In diesem Fall leiden Sie eindeutig unter Hyperakusis. Damit bezeichnen Ärzte die krankhafte Überempfindlichkeit gegenüber Schall, den man im Normalfall noch nicht als unangenehm laut empfindet. Verwechseln Sie Hyperakusis nicht mit Hypakusis – der Schwerhörigkeit.

Was ist Hyperakusis?

Obwohl in Deutschland bis zu einer Million Menschen unter Hyperakusis leiden, kennen nur wenige Menschen diesen medizinischen Fachbegriff. Am häufigsten von Hyperakusis betroffen sind Patienten mit Tinnitus. In den meisten Fällen verstärkt die Hyperakusis den Tinnitus. Professor Gerhard Goebel, Chefarzt an der Roseneck-Klinik in Prien am Chiemsee, hierzu: „Dabei ist das Gehör meist völlig in Ordnung. Der Fehler liegt in der neurologischen Verarbeitung der Geräusche. Das Problem lässt sich mit einem inneren Verstärkermechanismus des Gehirns vergleichen, der verstellt ist. Der zu laut eingestellte Verstärker macht normale Alltagsgeräusche für die Betroffenen zu lautem, unangenehmem und bedrohlichem Gedröhne.“

Hyperakusis beeinträchtigt demnach Betroffene im Alltag enorm. Aus ständiger Angst ihr Gehör zu schädigen, halten sie sich die Ohren zu oder nutzen Gehörschutz-Utensilien wie z. B. Ohrstöpsel. Zudem meiden sie bewusst Situationen, in denen sie unangenehm laute Geräusche befürchten wie z. B. Kinos, Supermärkte, Konzerte, Restaurants etc. Resultat: Die meisten Hyperakusis-Patienten schotten sich von ihrem sozialen Umfeld ab und vereinsamen.

Wie diagnostiziert man Hyperakusis?

Um eine Hyperakusis zu diagnostizieren, wird ähnlich wie bei einem Hörtest ein Unbehaglichkeitsschwellen-Audiogramm erstellt. Damit wird der Patient quer durch das gewöhnliche Spektrum der akustischen Frequenzen eines Hörtest auf Überempfindlichkeit bei lautem Schall getestet. Bei Hydrops- und Menière-Patienten geht eine solche Überempfindlichkeit meist der später folgenden Hörminderung voraus. Deshalb empfehlen wir Ihnen aus Gründen der Vorbeugung diesen recht einfachen Hörtest bereits bei den ersten Anzeichen einer Überempfindlichkeit auf lauten Schall unbedingt durchzuführen.

Welche Ursachen hat Hyperakusis?

Wie es zu einer Hyperakusis kommt, ist für Ärzte bisher noch nicht eindeutig klar. Hier ein Überblick der bisher gewonnen wissenschaftlichen Erkenntnisse: 

  1. Wie bereits erwähnt, tritt Hyperakusis oft in Zusammenhang mit Tinnitus auf.
  2. Hyperakusis kann auch als eigenständige Erkrankung auftreten. So tritt die krankhafte Empfindlichkeit gegenüber lautem Schall trotz Vorhandensein einer normalen Hörschwelle auf. In diesem Fall empfinden Patienten sogar Geräusche geringer Lautstärke als unerträglich laut. Eine weitere Form von Hyperakusis stellt die Phonophobie dar. Bei dieser Form werden nur bestimmte, negativ besetzte Geräusche als unerträglich laut empfunden, während dies bei anderen Geräuschen nicht der Fall ist - selbst wenn deren Lautstärke höher ist.
  3. Zudem tritt eine Hyperakusis nicht nur bei organischen Erkrankungen auf. Oft wird sie von psychischen Krankheiten wie z. B. Angststörungen, Depressionen oder einer posttraumatischen Belastungsstörung begleitet.

Wie kann man Hyperakusis behandeln?

Die Behandlung einer Hyperakusis beginnt mit einem Hörtest. Professor Gerhard Goebel, Chefarzt an der Roseneck-Klinik in Prien am Chiemsee, hierzu: „Lässt sich kein Schaden feststellen, überzeugt das die Betroffenen meist“ - ein guter Ausgangspunkt für die weitere Therapie. 

Das Prinzip der Therapie ist einfach erklärt: „Jegliche Stille gilt es zu meiden, damit das Gehirn den inneren Verstärker drosselt“, erläutert Goebel. So müssen Patienten in ruhigen Momenten Musik hören, bewusst auf Umweltgeräusche achten und in extremen Fällen einen Rauschgenerator (auch „Noiser“ genannt) benutzen. „Die kleinen Geräte werden wie ein Hörgerät im Ohr oder dahinter getragen. Sie erzeugen ein Hintergrundrauschen, das nicht unangenehm ist, aber dennoch wahrgenommen wird“, so Goebel. Diese Maßnahmen in Kombination mit Entspannungs- und Stressbewältigungstraining lindern die Hyperakusis meist innerhalb von ein paar Wochen. Insbesondere dann, wenn andere seelische Probleme auch behandelt bzw. gelöst wurden. 

Studien zeigen, dass nach ca. einem Jahr bei rund 90 Prozent der Patienten die Hyperakusis geheilt ist. „Und bei jenen, die zusätzlich einen Tinnitus haben, bessert sich das Ohrgeräusch ebenfalls“, ergänzt Goebel. 

Wie beugen Sie Hyperakusis vor?

Eine Hyperakusis können Sie im Prinzip nicht direkt vorbeugen. Für ein gesundes Gehör raten wir Ihnen aber generell immer zu einem gesunden Lebensstil und zur Vermeidung von extremem Lärm.